50 Minuten vor der Landung werde ich vom Stewart geweckt, der die Decken einsammelt. Aufgrund der Windverhältnisse ist der Landeanflug auf den Flughafen Beijing Capital International ziemlich unruhig und ich bin überrascht, dass ein so großes Flugzeug wie der A 380 derart durchgeschüttelt wird.
Die Einreiseformalitäten sind viel unproblematischer als ich angenommen hatte, und der Grenzbeamte ist ganz nett. Als er mir meinen Pass zurückgibt, lächelt er und sagt „Auf Wiedersehen“ auf deutsch. In der Ankunftshalle werde ich von einem Mann angesprochen, der relativ gut Englisch spricht und mir ein Taxi zu meinem Hotel anbietet, unmittelbar nachdem ich mein Gepäck geholt und die Zollkontrolle passiert habe. Anstatt auf sein Angebot einzugehen, bitte ich die Angestellten an der Flughafen-Information, mir den Namen und die Adresse meines Hotels auf chinesisch aufzuschreiben und folge ihrer Beschreibung zum offiziellen Taxistand, da ich mehrfach vorgewarnt worden bin, dass diese selbsternannten Taxifahrer lediglich das Ziel verfolgen, die Leute auszunehmen.
Am offiziellen Taxistand im Untergeschoss werde ich von den Angestellten zu einem Taxi mit Taxameter geleitet, nachdem ich ihnen den Zettel mit der Hoteladresse gezeigt habe. Erwartungsgemäß spricht mein Taxifahrer kein Wort Englisch. Mittlerweile ist es später Nachmittag und der Berufsverkehr hat eingesetzt. Die Taxifahrt dauert etwa eine bis anderthalb Stunden. Schließlich gestikuliert der Taxifahrer, vermutlich um mir zu zeigen, dass wir da sind. Aber das kann nicht richtig sein! Die Gegend sieht etwas heruntergekommen aus, und ich kann nirgendwo mein Hotel sehen, das ein hohes Gebäude sein soll. Vielleicht ist den Angestellten der Flughafen-Information ja ein Fehler unterlaufen, als sie den Namen und die Adresse meines Hotels aufgeschrieben haben. Ich frage mich, was ich machen soll, falls wir in der völlig falschen Gegend sind und er mich irgendwo im Nirgendwo herauslässt. Es ist unmöglich, mit ihm zu kommunizieren und mein chinesisch beschränkt sich auf „Ni hao“ (Hallo!). Auch kann ich nirgendwo andere Westler sehen oder irgendjemanden, der so aussieht, als spräche er Englisch. Schließlich biegt er zweimal rechts ab und tatsächlich, wir sind an meinem Hotel! Es ist wirklich ein schönes Hotel und die meisten Angestellten sprechen Englisch. Nachdem ich eingecheckt habe, entspanne ich mich ein bisschen in meinem bequemen Hotelzimmer.
Später am Abend bestelle ich mir ein Taxi zur Wangfujing Road („Wangfujing Dajie“), die eine der berühmtesten und wichtigsten Einkaufsstraßen in China sein soll mit Geschäften, Cafés und Einkaufszentren, die man über die volle Länge zu Fuß entlanglaufen kann. Der größte Teil ist eine Fußgängerzone. Bereits während der Ming-Dynastie war sie ein wichtiges Handelszentrum, in der späteren Qing-Dynastie wurde sie zur Heimat der Adeligen, die ihre Villen an der Wangfujing Road errichten ließen.
Es ist bereits 21.30 Uhr, als ich dort ankomme und viele Geschäfte und Restaurants scheinen bald zu schließen oder sind sogar bereits geschlossen. Ich lande in einem der Einkaufszentren in einem Restaurant namens „Yoshinoya“, scheinbar eine Fast Food-Kette wie McDonalds und Kentucky Fried Chicken (KFC), aber mit einer asiatischen statt einer westlichen Speisekarte und mit Mehrweg-Hardplastik- statt Einweggeschirr. Ein paar Tische weiter sitzt ein älterer, westlich aussehender Mann mit einem jungen Asiaten, die ich beide heute bereits am Flughafen Peking gesehen habe. Der ältere Mann wurde dort von diesem jungen Mann abgeholt. Ihrer Begrüßung am Flughafen zufolge, schienen sich die beiden bereits vorher zu kennen. Beide sprechen Englisch miteinander und ich bin ein bisschen neidisch. Genau in diesem Augenblick wünschte ich, ich hätte ebenfalls jemanden, der mich in den nächsten drei Tagen in Peking herumführen würde.
Nach dem Abendessen laufe ich ein bisschen herum und stoße auf den Donganmen Nachtmarkt, der in einer kleinen Seitenstraße von der Wangfujing Road liegt. Es ist ein lokaler Essensmarkt, aber statt Reis, Nudeln, Gemüse, Hühnchen, Rind- und Schweinefleisch bieten die Verkäufer Skorpione, Seesterne, Kokons usw. an, alles frittiert. Es ist einer dieser Essensmärkte, die auf Reise DVDs über China gezeigt werden. Leider habe ich meine Kamera im Hotel gelassen, ansonsten würde ich hier ein Foto machen.
Zurück auf der Wangfujing Road kommt eine sehr schick gekleidete junge Chinesin auf mich zu und erzählt mir in gutem Englisch, dass sie Studentin sei und ihr Englisch praktizieren wolle. Sie lädt mich auf einen Tee ein und fordert mich auf, ihr zu folgen, aber ich lehne ab. Bevor ich nach China geflogen bin, wurde ich explizit vor angeblichen Studenten gewarnt, die ahnungslose Touristen auf einen Tee an einen von ihnen gewählten Ort einladen und ihnen im Anschluss eine gewaltige Rechnung präsentieren, deren Bezahlung von dunklen Gestalten eingefordert wird, notfalls auch mit Gewalt. Stattdessen trinke ich meinen Tee bei McDonalds. Eine Gruppe junger Chinesen kommt an meinen Tisch vorbei, sagt „Hi“ und möchte wissen, wo ich herkomme und was ich in Peking mache. Ich werde ein bisschen misstrauisch, aber offensichtlich wollen sie tatsächlich ihr Englisch praktizieren und ein paar Worte mit einer westlichen Touristin wechseln.
Nachdem ich meinen Tee ausgetrunken habe, laufe ich zu dem Teil der Wangfujing Road zurück, wo alle Taxis auf Kunden warten. Ich steige in ein Taxi, zeige dem Fahrer die Visitenkarte mit dem Namen und der Adresse meines Hotels auf chinesisch und bitte ihn, das Taxameter einzuschalten, aber er schüttelt den Kopf. „80 Yuan“, sagt er. „Entschuldigen Sie, Sir, aber auf dem Hinweg habe ich nur 30 Yuan bezahlt“, erwidere ich ungläubig. „80 Yuan“, beharrt er. Ich erkläre ihm, dass ich nicht gewillt bin, fast drei Mal soviel zu bezahlen, wie für ein Taxi, das denselben Weg mit Meter fährt, aber er bleibt stur. Ich steige aus dem Taxi, aber bevor ich mir ein anderes Taxi suchen kann, gibt ein Fahrer den anderen ein Zeichen und ich kann die Polizei sehen, die sich dem Areal mit mehreren Wagen nähert. In weniger als einer Minute sind alle Taxis verschwunden. Ich beschließe, dass es vielleicht besser ist, in eines der großen Hotels ein Stück weiter die Straße hinunter zu gehen und zu versuchen, von dort aus ein Taxi zu bekommen.
Auf dem Hinweg ist das Taxi am „Beijing Hotel“ vorbeigefahren, einem Fünf-Sterne-Hotel, das im Jahr 1900 eröffnet wurde. Ich betrete das Hotel und da sie scheinbar keinen Concierge haben, frage ich an der Rezeption, ob sie mir ein Taxi rufen können. Nachdem sie bei der Taxigesellschaft angerufen hat, erklärt mir die Rezeptionistin, dass alle Taxis bereits belegt seien und dass es etwa 25 Minuten dauern könne. Außerdem erzählt sie mir, dass die Beijing Metro zu dieser Tageszeit nicht mehr fährt. Ich bin heute ohnehin noch nicht bereit, die Metro zu nehmen, nicht weil ich Angst hätte die Metro zu nehmen, sondern weil ich den Weg von der Metrostation zurück zu meinem Hotel nicht kenne. Und da in der Gegend nur einige, wenige lokale Restaurants sind, dürfte ich kaum jemanden finden, der Englisch spricht, und den ich nach dem Weg fragen könnte. Die Rezeptionistin bietet mir an, mich zu setzen. Neben mir sitzt ein junger Chinese und raucht. Ich kann nirgendwo ein Schild sehen, dass dies eine Raucherzone ist, also ist er vermutlich ein unhöflicher Mann, der die Regeln bricht.
Fast anderthalb Stunden später sitze ich immer noch in der Lobby des Beijing Hotels. Die Angestellten an der Rezeption haben die Taxigesellschaft insgesamt dreimal angerufen, aber ohne Erfolg. Ich selber habe in meinem Hotel angerufen um zu fragen, ob sie mir ein Taxi organisieren können, da dies auf dem Hinweg offensichtlich kein Problem war, oder ob sie mir einen Wagen mit Fahrer schicken können, auch wenn dies viel teuerer wird, allerdings ebenfalls ohne Erfolg. Mittlerweile bin ich völlig kaputt und habe keine Ahnung, was ich noch tun könnte.
Zwei elegant gekleidete junge Chinesinnen betreten die Lobby, in Begleitung von zwei jungen Männern mit dunklen Anzügen. An der Rezeption werden sie Zeuginnen meines Dilemmas, da sie relativ gut Englisch sprechen. Nach einer Weile bietet mir eine von ihnen an, dass ihre beiden Freunde mich zu meinem Hotel zurückbringen könnten. „Aber Sie müssten sie dafür bezahlen“, sagt die junge Frau. „Was würde es mich kosten?“ möchte ich wissen. „200 Yuan“, antwortet sie, „es ist sehr weit entfernt.“ Ich bin mittlerweile an einem Punkt angelangt, wo ich nur noch zurück zu meinem Hotel möchte, egal wie. Die beiden jungen Männer sehen seriös aus und die beiden jungen Frauen erst recht. Also stimme ich zu, es gelingt mir jedoch, den Preis auf 150 Yuan zu drücken. Bevor ich ins Auto steige, gibt mir die junge Frau ihre Telefonnummer und sagt, dass ich ihre Freunde bitten solle, sie anzurufen, falls es irgendwelche Probleme gäbe.
Mir ist mulmig zumute und ich weiß, dass es absolut leichtsinnig ist, was ich hier mache, aber ich habe keine Ahnung, wie ich sonst zurück zu meinem Hotel kommen sollte. Wir fahren los. Anfangs fahren die beiden den Weg, den auch der Taxifahrer zur Wangfujing Road genommen hat, aber dann biegen sie auf den Highway ab. Die Fahrt dauert länger und länger und ich werde immer nervöser. Nach einiger Zeit kommt mir die Fahrt endlos vor. Mittlerweile stehe ich Todesängste aus. Was ist, wenn die beiden Typen Räuber, Drogendealer, Vergewaltiger oder sogar Mörder sind? Ich gebe den beiden zu verstehen, dass sie ihre Freundinnen anrufen sollen. Die junge Frau, die mir ihre Telefonnummer gegeben hat, erklärt mir, dass alles ok und dass der Weg einfach nur sehr weit sei. Ich bin kein bisschen beruhigt. An einem Kreisverkehr ist die Straße plötzlich blockiert. Nun scheinen auch die beiden Männer den Weg nicht mehr zu kennen. Sie führen ein weiteres Telefonat mit ihren Freundinnen und wir fahren weiter. Nach weiteren zehn bis fünfzehn Minuten sind wir endlich in der Gegend, die mir ein bisschen vertraut vorkommt. Nachdem sie zweimal rechts abgebogen sind, sind wir tatsächlich an meinem Hotel angekommen! Niemals zuvor auf meinen Reisen war ich jemals so glücklich, an meinem Hotel anzukommen, wie ich es jetzt bin. Ich bezahle die beiden Männer und gehe sofort auf mein Zimmer. Es war eine sehr beängstigende Erfahrung und ich habe meine Lektion gelernt. Ich werde so etwas nie wieder tun. Morgen nacht werde ich mir ein Taxi mit Meter rufen lassen und falls das nicht funktioniert, werde ich die Metro nehmen.
Sehr schöne Fotos. Sehr spannend, was Du über das Abenteuer „Peking allein“ berichtet hast, auch wenn man es nicht nachahmenswert ist, diese Erfahrungen zu machen.Ich bin gespannt,was Du als nächstes berichten wirst.
Marie
Vielen Dank, Marie. Auch wenn mein erster Tag in Peking tatsächlich recht nervenaufreibend und aufregend war, so habe ich die Stadt in den darauffolgenden Tagen ein bisschen kennen- und vor allem wirklich lieben gelernt. Mehr davon bald in meinem Blog. Mir hat es so gut gefallen, dass ich mir sehr gut vorstellen kann, nochmal nach Peking und China zu fliegen.
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