Ich ging durch die engen Gassen des Hutongs, wie die traditionellen Stadtviertel Pekings genannt werden. Es war ein wunderschöner Spätsommermorgen Ende August, und ich war auf dem Weg zu einer Kochschule, die in einem der alten Stadtviertel liegt. Als ich am Vortag zum ersten Mal dorthin gegangen war, habe ich mich in dem Labyrinth aus Hofhäusern, Innenhöfen und engen Gassen hoffnungslos verlaufen, und auch dieses Mal musste ich nachdenken, um den Weg zu rekapitulieren.
Ich hatte mich für einen Kurs mit dem Namen „Handgezogene Nudeln“ angemeldet und ich hatte eine ungefähre Vorstellung, was wir machen würden, so ganz genau wußte ich aber nicht, was mich erwartet.
Es stellte sich heraus, dass wir „Xinjiang La Mian“, Handgezogene Nudeln, zubereiten würden, eine lokale Spezialität der Provinz Xinjiang in Nordwest-China, eine Region, die ich anderthalb Monate später bereisen würde.
Unsere Lehrerin war eine junge Frau namens Miya, die ursprünglich aus der Provinz Jiangsu nördlich von Shanghai stammt. Die anderen Teilnehmer hießen Natalie, Trevor und Tommy und kamen aus verschiedenen Regionen der USA. Alle drei arbeiteten hier als Englischlehrer und hatten ihre Stellen durch dieselbe Agentur in Peking bekommen, sie kannten sich bislang jedoch nicht. Da eine Tätigkeit als Englischlehrerin in Peking exakt das ist, was ich gerne machen würde, schrieben sie mir den Namen und die Telefonnummer ihrer Agentur auf und gaben mir wertvolle Tipps.
Zuerst verarbeiteten wir Mehl, Wasser und Salz zu einem Teig, den wir etwa 20 Minuten kneten und ihn dann kreisförmig mit der Hand auf die Arbeitsplatte drückten, bis er eine Dicke von etwa einem Zentimer hatte. Dann schnitten wir den Teig in 1,5 Zentimeter breite Streifen. Anschließend demonstrierte uns Miya, wie die Nudeln gerollt und auf einem Teller zu einer Spirale gewickelt werden.
Während der geschnittene Teig für 30 Minuten unter einer Plastikfolie ruhte, bereiteten wir aus Cherrytomaten, Hühnerfleisch, Zwiebeln, Knoblauch, Chilis, Ingwer, Anis, Sichuan-Pfeffer, Kreuzkümmel, Kardamom und Zimt eine scharfe Nudelsauce zu.
Als die Sauce fertig war, begannen wir die Nudeln per Hand zu ziehen. Dafür rollten wir jedes Teigstück solange, bis es einen Durchmesser von 0,5 Zentimetern hatte. Wir schlugen die Teigrollen auf die Arbeitsplatte und zogen die Nudeln dabei auseinander. Das mag einfacher klingen als es war, denn der Teig brach relativ leicht. Nach einiger Zeit gelang es mir jedoch, Nudeln zu ziehen.
Als die Nudeln die richtige Länge und Dicke hatten, wurden sie in einen Topf mit siedend heißem Wasser gegeben und solange gekocht, bis Schaum aufstieg.
Anschließend machten wir „Pai Huang Gua“, einen zerstoßenen Gurkensalat bestehend aus Gurken, Knoblauch, frischen und getrockneten Chilies, Ingwer, Koriander, Sichuan-Pfeffer, Kreuzkümmel und Zimt.
Als die Gerichte fertig waren, setzten wir uns zusammen und genossen unser Essen, das sehr lecker war und mir einen großartigen Eindruck von dem vermittelte, was mich in Nordwest-China erwarten würde.
Handgezogene Nudeln in der Provinz Xinjiang
Mittlerweile bin ich in der Provinz Xinjiang gewesen und ich hatte dort ein- bis zweimal täglich Handgezogene Nudeln mit unterschiedlichen Saucen. Man bekommt sie in nahezu allen Restaurants in der Provinz Xinjiang. Ein Nudelgericht kostet zwischen 10 und 16 RMB (1,6 bis 2,6 $; 1,4 bis 2,3 Euro). Kein Restaurant würde sich trauen, Nudeln als Fertigprodukt zu servieren. Überall sind die Nudeln frisch zubereitet, was mich nach wie vor tief beeindruckt, wenn ich daran denke, wie lange wir gebraucht haben um sie zuzubereiten.
[…] mein Kochkurs, in dem ich gelernt habe, wie man Handgezogene Nudeln zubereitet, vorbei war, nahm ich die U-Bahn und fuhr zur Liulichang, der ältesten Kulturstraße […]